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Nachbericht Ebertplatz: Stand der Dinge, und … wie geht es weiter?

2. November 2023

Der Ebertplatz bewegt die Gemüter, das zeigte der voll besetzte Saal im Domforum. Der BDA Köln hat schon eine längere „Beziehung“ zu dem Platz. Im Jahr 2021 stand der Kölner Rat vor der Entscheidung, kurzen Prozess zu machen mit dem „Problem-Platz“ am Ring und ihn nach einem Verhandlungsverfahren nach VgV einzuebnen. Der BDA Köln und zahlreiche Stimmen aus Vereinen und Initiativen plädierten hingegen für einen ergebnisoffenen Wettbewerb, und der Rat folgte dem Vorschlag. Zweieinhalb Jahre sind seitdem vergangen: Zeit für eine Bestandsaufnahme. Andrea Bachmann führte durch den Abend, konzipiert von ihr und Reinhard Angelis, der krankheitshalber verhindert war.

Foto: Elke Beccard
Foto: Elke Beccard

v.l.: Ralph Sterck, FDP; Philip Gotzen, Volt, sachkundiger Einwohner im Stadtentwicklungsausschuss; Michael Weisenstein, DIE LINKE; Burkhard Wennemar, Vorsitzender Bürgerverein Kölner Eigelstein e.V.; Meryem Erkus, Brunnen e.V., Vorsitzende; Fenna Tinnefeld, Projektmanagerin Baukultur Nordrhein Westfalen; Christopher Schroeer-Heiermann, Lehrbeauftragter TH Köln; Susanne Kohte, Dozentin, TH Köln; Eva Herr, Leiterin Stadtplanungsamt Köln; Niklas Kienitz, CDU; Sandra Schneeloch, Bündnis 90/DIE GRÜNEN; Maria Helmis, SPD; Andrea Bachmann, Moderation Vorstand BDA Köln

„Unglaublich, was sich alles geändert hat“

Selbst das Kölner Boulevardblatt Express zeigt sich 2019 mit dieser Schlagzeile positiv überrascht über die Entwicklungen am Ebertplatz. In den 1970er Jahren als unter Straßenniveau abgesenkte Platzfläche angelegt, gerät die Anlage in den 1990er Jahren in eine Abwärtsspirale. Verwahrlosung breitet sich aus, es wird gedealt, die Trinkerszene trifft sich. Doch eine Gegenbewegung setzt ein: 2004 eröffnet der erste Kunstraum in den ehemaligen Ladenlokalen der Passage. Und so langsam werden auch Anwohner und Anlieger aktiv. Sie wollen sich ihren Platz nicht nehmen lassen und ergreifen kreative Wiederbelebungsmaßnahmen.

“Sommeroase Ebertplatz”

Die Stadt beschließt 2018 eine Zwischennutzung für drei Jahre mit einem Budget von 1,4 Mio. Euro. Helle Habenicht ist Projektkoordinatorin im Auftrag der Stadt Köln und präsentiert dem Publikum ihr Resümee: Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Maßnahmen hat schnell zu positiven Veränderungen geführt. Die unkonventionelle, einzigartige Platzgestaltung bietet viel Potential, etwa mit der halboffenen Passage, die sich dank ihrer Akustik und dem Wetterschutz sehr gut für Outdoor-Formate eignet. Der Platz ist durch die Absenkung vor Verkehrslärm geschützt, und mit dem Baumbestand, den Sitzdecks und der wieder belebten „Wasserkinetischen Plastik“ ist er zur “Sommeroase Ebertplatz” geworden.

Künstler:innen und Kreative geben Impulse, die am und für den Ort entwickelt sind: „Für uns ist der Ebertplatz kein Angstraum, sondern der beste Ort überhaupt,“ sagt Meryem Erkus von Brunnen e.V., dem Zusammenschluss der Kunsträume in der Passage, bei der anschließenden Podiums-diskussion. Das bestehende Netzwerk von Akteuren ist die Basis für ein langfristiges Betreiberkonzept.

Ein großes „Aber“…

In den Wintermonaten ist die Platzbelebung und damit die soziale Durchmischung und Kontrolle schwieriger umzusetzen, erläutert Habenicht. Es gibt Probleme mit Vermüllung und Wildpinklern. Am schwersten aber wiegt, dass eine „neue Gruppe von jungen Männern mit hohem Aggressionspotenzial“ in den Gängen dealt und eine friedliche Koexistenz mit ihnen nicht mehr möglich ist. Kurz- und mittelfristige Maßnahmen wie die Sanierung des “Projektraums” und der Bau neuer Rolltreppen und Toiletten werden nicht durchgeführt, weil über die langfristige Perspektive nicht entschieden ist.

Exkurse: Aachener Büchel und Kölner Neumarkt

Anders in Aachen, wie Antje Eickhoff von der SEGA, der Städtischen Entwicklungsgesellschaft Aachen, berichtet. Die Gesellschaft wurde eigens für die Entwicklung des Altstadtquartiers Büchel gegründet, wo ehemals ein großes Parkhaus stand. Nachdem private Investoren ausgestiegen waren, kaufte es die Stadt 2019 kurzerhand selbst. Nach einer „ZwischenZeit“ wurden trint+kreuder d.n.a. architekten und scape Landschaftsarchitekten mit dem städtebaulichen Entwurf beauftragt. Drei Varianten zur Grundidee “Wiese“ sind ausgearbeitet, und bis 2025 soll der Bebauungsplan entstehen.

In Köln hingegen hängt nicht nur der Ebertplatz, sondern auch der Neumarkt in der Warteschleife. Helle Habenicht berichtet vom Kulturprogramm „Nimm Platz,“ das im Sommer 2023 auf dem Neumarkt stattfand. Bis 2025 sollen ein neuer Brunnen, ein neuer Pavillon, eine Reduzierung der Taxistände und neue Fußgängerquerungen die Lage am Neumarkt verbessern. Auch hier sind die Interventionen abhängig von langfristigen Entwicklungen, über die noch zu entscheiden ist, in dem Fall der Stadtbahnausbau mit der Ost-West-Achse.

Und wie geht es weiter?

Letztes Jahr im Mai beschloss der Rat, das Nutzungsprogramm am Ebertplatz weiterzuführen und die Koordination an ein externes Platzmanagement zu vergeben. Die Vergabe ist noch in diesem Jahr vorgesehen, so dass das Management im Januar starten kann. Zu dessen Aufgaben gehört auch die „Vorqualifizierung“ für den Planungswettbewerb in zwei Jahren. Bis dahin sollen räumliche Konzeptskizzen für die drei Varianten Bestandsqualifizierung, Teilsanierung und Neuplanung vorliegen.

Nicht nur im Saal, auch auf dem Podium ist es eng. Zwölf Diskutant:innen sind geladen, um die ganze Positionsbreite des Engagements am Ebertplatz abzudecken. Aus den Ratsfraktionen sind Sandra Schneeloch für DIE GRÜNEN, Niklas Kienitz von der CDU, Maria Helmis von der SPD, Michael Weisenstein für Die Linke, Ralph Sterck von der FDP und Philip Gotzen von Volt erschienen. Eva Herr, Leiterin des Stadtplanungsamtes, repräsentiert die Verwaltung. Für die Initiativen am Platz sprechen Meryem Erkus von Brunnen e.V. und vom Bürgerverein Kölner Eigelstein e.V. Burkhard Wennemar. Fenna Tinnefeld von Baukultur NRW und Susanne Kohte und Christopher Schroeer-Heiermann von der TH Köln schließen die Runde ab.

Hardware versus Software

Durchweg stellen sich alle Diskutant:innen konstruktiv und differenziert dem Thema. Einen kontroversen Beitrag liefert schon eher das Publikum mit der Frage, ob man langfristig den Platz „alimentieren“ wolle? „Ein Platz muss aus sich selbst heraus funktionieren,“ so der Redner Peter Sparla, Landschaftsarchitekt, und dürfe nicht von laufenden Zuschüssen abhängen. Vom Podium kommt Widerspruch: Als Kulturort dürfe der Ebertplatz durchaus Kosten verursachen. Und solche Ausgaben klagt einer der Betreiber der Kunsträume in der Passage auch ein, aber nicht für die Kunst, sondern für den Einsatz von Sozialarbeiter:innen, in dem er das wirksamste Instrument zum Umgang mit der Drogenszene sieht. Dazu läge auch schon lange ein Konzept vor, aber sie würden nicht eingesetzt. Um diese zentrale Frage wird gerungen: Inwieweit will man die „Hardware“, die Architektur, verantwortlich sehen für die Zustände vor Ort? Ein schönes Schlusswort formuliert Boris Sieverts mit seiner Vorstellung, dass der Ebertplatz „seine Aufwertung nicht durch Materialbewegung erhält, sondern durch Bespielung.“

Autorin: Ira Scheibe

Foto: Astrid Piethan
Foto: Astrid Piethan