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Rückblick: JVA Münster – wie weiter?

24. Oktober 2023

ARCHITEKTURWOCHEN NRW 2023

Unter dem Titel „JVA Münster – wie weiter?“ lud der BDA Münster-Münsterland im Rahmen der Architekturwochen NRW zu einem Podiumsgespräch in die Stadthausgalerie Münster, das die Zukunft der 170 Jahre alten JVA an der Gartenstraße beleuchtete. Als Experten kamen Markus Vieth, als Vertreter des Eigentümers BLB NRW, Lukas Fiegen vom Stadtplanungsamt Münster und Dr. Holger Mertens von der LWL Denkmalpflege. Mit dem Format knüpft der BDA an eine Veranstaltung im Rahmen der Architekturwochen NRW 2022 an, um zu diskutieren, was sich zu diesem für Münster so wichtigen Thema zwischenzeitlich getan hat.

Foto: Ulrike Meywald
Foto: Ulrike Meywald
Martin Behet (Vorsitzender des BDA Münster-Münsterland), Dr. Holger Mertens (Landeskonservator Westfalen-Lippe), Sigrid Karliczek (Ortskuratorium Münster, Deutsche Stiftung Denkmalschutz), Prof. Stephanie Stratmann (Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe), Stefan Rethfeld (Münster Modell e.V.), Lukas Fiegen (Stadtplanungsamt der Stadt Münster), Markus Vieth (Niederlassung Münster des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW)

Als weißer Fleck wird das unter Denkmalschutz stehende Gebäudeensemble oft bezeichnet, denn hinein kommt nur, wer sich eines Verbrechens schuldig gemacht hat oder dort arbeitet. Umso erstaunlicher war die Ausstellung „JVA Münster – Denkmal mit Potential“, in dessen Rahmen das Podiumsgespräch stattfand und die vom BDA gemeinsam mit dem Münster Modell e.V., in Kooperation mit der DSD und dem LWL, initiiert worden war. Studierende der TH Ostwestfalen-Lippe präsentierten in drei ausgearbeiteten Bachelorarbeiten und Stegreifen des dritten Semesters Zukunftsvisionen, die von ersten Ideen für Badelandschaften bis zu Studierendenwohnungen mit Bibliothek oder der Nutzung als Musikhalle reichten. Zwischen großformatigen Innenaufnahmen von H. Dülberg und Fotos vom Leben im Gefängnis von Ansgar Dlugos gelang es den zahlreichen Zuschauern, sich ein Bild von den Möglichkeiten des Gebäudes zu machen. Es wurde 1845-53 von Carl Ferdinand Busse erbaut, der ein Mitarbeiter Schinkels war. Bauherr war Preußenkönig Friedrich Wilhelm der IV, der zuvor das Gefängnis Pentonville in England besucht hatte und sich für Münster eines im gleichen Stil wünschte.

Foto: Ulrike Meywald
Foto: Ulrike Meywald
Martin Behet, Vorsitzender des BDA Münster-Münsterland

Warum der Ersatzneubau?

Martin Behet vom BDA Münster-Münsterland stellte zunächst bereits erfolgreich umgesetzte Gefängnisnachnutzungen, wie das Hotel Wilmina in Berlin oder die Gedenkstätte der JVA in Wolfenbüttel vor, bevor er Markus Vieth vom BLB NRW dazu einlud, die Seite des Eigentümers der JVA Münster zu präsentieren. Dieser gab einen Rückblick auf die Entwicklung, die zu einem Ersatzneubau geführt hatten, mit dem bereits begonnen wurde und dessen Fertigstellung 2026 erwartet wird.

Seit 1996 gab es zunächst Bestrebungen, die historische JVA Münster im Bestand zu erweitern und entsprechend der EU-Vorgaben für Gefängnisse zu sanieren, was sich u. a. aus wirtschaftlichen Gründen nicht darstellen ließ. 2009 fielen bei Stemmarbeiten auf einem Flur, Putz und Steine aus der Gewölbedecke einer benachbarten Zelle. Daraufhin fanden umfangreiche Untersuchungen statt, in dessen Folge Häftlinge verlegt, Gebäudeteile als nicht mehr nutzbar und seit 2014 das Gewölbe des zentralen Panoptikums mit Detektoren unter ständige Überwachung eines Gutachters gestellt wurden.

Abschließend stellte Vieth fest: „Der Maßnahmenplan Denkmalerhalt JVA Münster hat bis jetzt bereits zu Investitionen von 12 Millionen Euro geführt und weitere sind notwendig!“

 

Die Stadt bringt sich ein

Lukas Fiegen vom Stadtplanungsamt stellte klar, dass es bereits einen sehr intensiven Austausch der Stadt Münster mit dem BLB NRW zu Nachnutzung der JVA gäbe. Das Entwicklungskonzept „INSEK“, gefördert aus Landesmitteln, stellt verschiedene Maßnahmen zur Quartiersentwicklung der Innenstadt vor. Diese hat der Rat der Stadt am 20.9.23 im Rahmen eines offiziellen Ratsbeschlusses mit Prioritäten versehen, wobei die JVA als erstrangig eingestuft wurde. „Wir sehen unsere Aufgabe vor allem in der städtebaulichen Einbindung und Entwicklung des etwa 40.000 Quadratmeter großen Grundstücks.“ Vier Punkte stehen auf seinem Plan: Neben dem denkmalpflegerischen Diskurs darüber, wo die Kernwerte des Gebäudes liegen, geht es um die liegenschaftliche Entwicklung, grundsätzliche Nutzungskonzepte, sowie eine aus dem Städtebau entwickelte bauliche Struktur, was letztlich in die Erstellung eines Bebauungsplans münden soll. Im Prinzip erstellt das Stadtplanungsamt damit zurzeit die Leistungsphase 0 für eine Nachnutzung. Dieser Prozess soll nach Aussage von Fiegen ausdrücklich unter Einbeziehung der Öffentlichkeit stattfinden. Auch wenn noch keine verbindlichen Aussagen möglich sind, hält er studentisches Wohnen in Teilbereichen des Gebäudes für denkbar.

Foto: Ulrike Meywald
Foto: Ulrike Meywald
Lukas Fiegen, Stadtplanungsamt der Stadt Münster

Aus Sicht des Denkmalpflegers

Dr. Holger Mertens lobte zunächst ausdrücklich die Initiative der Stadt Münster, sich des Themas aktiv anzunehmen. Er erläuterte in seinem Vortrag die Bedeutung des „ältesten Reformknasts in NRW“, der 1985 bereits unter Denkmalschutz gestellt wurde. „Im Gegensatz zu den Gefängnissen der damaligen Zeit, wollte man gut belüftete Zellen, die eine Reintegration der Häftlinge in die Gesellschaft möglich machen sollte.“ Der stadtnahe Standort war dafür gut gewählt, können doch die Insassen die Geräusche des Stadtlebens und der Kirchenglocken bis in ihre Zellen hören. Die Architektur ist historisierend und orientiert sich mit ihren geschlossenen Fassaden und Zinnen an Burgen aus dem 14. Jahrhundert. Im Inneren herrscht dagegen maximale Transparenz, um mit möglichst wenig Personal eine große Anzahl von Häftlingen überwachen zu können.

Foto: Ulrike Meywald
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Dr. Holger Mertens, Landeskonservator Westfalen-Lippe

Formalien eines Verkaufs

Markus Vieth beleuchtete in der auf die Vorträge folgenden Gesprächsrunde die Formalien, an die der BLB NRW für die Zukunft der JVA gebunden ist. Zunächst ist abzuklären, ob das Gebäude vom Land weitergenutzt werden kann. Wäre das der Fall, gäbe es keinen Verkauf. Andernfalls stellt sich die Frage, ob es eine Bevorzugung der Kommune als Käufer geben kann. Wird auch diese zweite Frage negativ beantwortet, sei der BLB dazu verpflichtet, den Verkauf des Gebäudes auszuschreiben und meistbietend zu veräußern. Das sei nicht der Wunsch des BLB, stellte Vieth klar, denn mit einem höheren Kaufpreis sei auch der wirtschaftliche Druck in der Verwertung größer. Dr. Mertens wandte ein, dass die Stadt Münster durch den Denkmalschutz ein Vorkaufsrecht besitze.

Foto: Ulrike Meywald
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Markus Vieth, Niederlassung Münster des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW (BLB NRW)

Anregungen aus der Publikumsdiskussion

All die Attribute der Atmosphäre des Gebäudes, die der LWL-Denkmalpfleger in seinem Vortrag nannte, werden auch heute noch von den Menschen geschätzt, die dort arbeiten. Das wurde bei der sich anschließenden Fragerunde deutlich. Ein Mitarbeiter der Gefängnisbibliothek regte an, nach einem Bremer Vorbild einen Beauftragten für Atmosphäre in der Stadt zu bestimmen. Eine Kulturschaffende wünschte sich bezahlbare Räume, die das Thema der JVA emotional ansprechend in Erinnerung behalten. Ein Hotel, dem das nach der Umnutzung gelungen sei, habe sie in Helsinki besucht. Um das JVA-Gelände in den Stadtraum zu integrieren, wurde über mögliche Öffnungen in der unter Denkmalschutz stehenden Gefängnismauer gesprochen. Ein weiterer Beitrag regte an, die JVA Münster zu Sondereigentum gemäß § 1 des Wohnungseigentumsrechts zu machen.

Foto: Ulrike Meywald
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Anregende Publikumsdiskussion

Abschließend war man sich einig, dass der spannende Transformationsprozess im Herzen Münsters weiterhin von den Initiatoren der Ausstellung und des Podiumsgesprächs und sicher auch von der interessierten Öffentlichkeit aktiv begleitet werden sollte.

Partner des BDA Münster-Münsterland

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