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Nachbericht: Gerecht. Sozial. Bezahlbar. Wohnwochen Düsseldorf

16. Oktober 2019

Wenn Architekten zu Podiumsgesprächen zusammenkommen, liegt meist ihr Fokus auf spannenden Einzelbeiträgen und weniger im Diskurs. Die »Wohnwochen Düsseldorf« schaffen genau diesen diskursiven Austausch, indem sie eine Debatte über neue Wohnstrategien und damit zentrale Fragen zur Gesellschaft und zur Stadtentwicklung in Bewegung setzen.

Die Initiatoren des BDA Düsseldorf stellen mit einem umfangreichen Veranstaltungskompendium rund um Ausstellung, Vortrag, Dialog und Workshop drei Monate lang diese gesellschaftlichen Fragen. Partner und Schauplatzist das Stadtmuseum Düsseldorf. Die Konzeption der Ausstellung ist eine Ko-Produktion des AIT-ArchitekturSalons mit der Münster School of Architecture und bildet mit der im jovis Verlag erschienenen Publikation »Bezahlbar. Gut. Wohnen.« den Ausgangspunkt für die »Wohnwochen Düsseldorf«. Die Herausgeber Klaus Dömer, Hans Drexler und Joachim Schultz-Granberg bilden darin ihre Auswertung verschiedener Best-Practice Beispiele aus Europa ab.

Der Vorsitzende des BDA Düsseldorf Georg Döring stellt zur Eröffnung den bezahlbaren und zugleich gestalterisch anspruchsvollen Wohnraum als zentrale baukulturelle Aufgabe heraus. Es gehe um Werte, nicht nur um Kosten. Die Beigeordnete Cornelia Zuschke, zuständig für Integrierte Stadt- und Verkehrsplanung der Landeshauptstadt, zeigt die Potenziale und Herausforderungen der Stadtentwicklung für Düsseldorf im Kontext der Produktionsbedingen von Stadt und Land. Die Städte wachsen, Bauland wird knapp, die Bodenwerte steigen – mit welchen Mechanismen lässt sich dem spekulativen Handel von Grund und Boden vorbeugen? Florian Hertweck, Professor und Architekt in Luxemburg, stellt diesen Kontext als Ursache für Mietexplosion, Wohnungsnot, Gentrifizierung und Monofunktionalität dar. Eindrucksvoll erklärt Joachim Schultz-Granberg, Professor für Städtebau in Münster, die Zusammenhänge des bezahlbaren Wohnens und Bauens anhand der Publikation als theoretische Grundlage.

In Analogie zur Publikation sind Best-Practice Beispiele „Aufhänger“ für die folgenden fünf Vortrags- und Diskursrunden, in denen die Referenten unter reger Beteiligung des Publikums den zentralen Fragen nachgehen: Was macht Projekte gut? Welche Strategien sind zukunftsweisend? Welche Wohnformen und Konstellationen begünstigen bezahlbaren Wohnraum?

Jede Runde widmet sich einem speziellen Thema: Die erste stellt sich den Fragen der »Neuen Sozialen Verantwortung in der Gemeinschaft«. Neben Projektbeispielen für qualitätvolles gemeinschaftliches Wohnen und Arbeiten stehen günstige Mieten durch Genossenschaften oder Gemeinschaftseigentum von Grund und Boden und der Selbstorganisation der Mitglieder im Fokus. Das gelingt der Stadt München mit »wagnisART«, einem Leuchtturmprojekt für eine urban durchmischte, genossenschaftlich getragene Wohnanlage. Hier leben zu etwa gleichen Teilen Menschen mit Wohnberechtigungsschein, mit mittlerem Einkommen sowie solche, die sich die freifinanzierten Wohnungen leisten können. Rainer Hofmann von bogevischs Büro ist überzeugt von dem partizipatorischen Entwurfsprozess, auch wenn dieser einen planerischen Mehraufwand bedeutet. Der Umbau einer Samtweberei in Krefeld trägt das Thema des Gemeinwesens als nutzungsübergreifendes Kollektiv einen Schritt weiter. Neben Mietwohnungen werten Räume für Büros und Kultur sowie große Freiflächen ein ganzes Viertel auf. Der Projektentwickler und Geschäftsführer Henry Beierlorzer präsentiert das kreative und intelligente Konzept und zeigt die Stärken partizipativer Gemeinwesensarbeit, die durch Investition in eine Immobilie dauerhafte Renditen für einen Stadtteil und damit eine chancengerechte Stadtteilentwicklung erwirtschaftet.

Auch bei dem Themenabend »Neue sozialverträgliche Quartiere« steht das Gemeinwohl im Vordergrund. Beispiele von Baugruppenprojekten in Düsseldorf und Köln mit einer begünstigenden Grundstücksvergabe durch die öffentliche Hand werden durch Erfahrungen aus Berlin und Hamburg ergänzt. Der Frage nach einer »Neuen sozialen Verantwortung für bedürftige Lebensgemeinschaften« stellen sich die Referenten an einem anderen Abend mit Beispielen zur Wohnsituation von wohnungslosen und geflüchteten Menschen. Die Architektin Anne Kristin Bader zeigt dazu ein vom BDA Düsseldorf initiiertes und durch BDA Mitglieder mitfinanziertes Wohnprojekt im Düsseldorfer Norden.

Eine weitere Runde hinterfragt die für günstigen Wohnungsbau bestehenden Normen und die daraus resultierende uniforme Architektur unter dem Titel »Baukosten, einfach«. Braucht es neue Denkweisen? Große innovative Clusterwohnungen, eine Art WG und mit privater Mini-Einheit, stellen eine neuartige Wohnform als mögliche Alternative dar. Duplex Architekten überzeugen mit solchen Ansätzen in ihren Schweizer Bauten wie beispielsweise auf dem Zürcher Hunzikerareal. Wieviel Gemeinschaftsfläche ist erforderlich oder sogar förderlich in einem Mehrfamilienhaus? Für Frankfurt schlagen sie mit ihrem preisgekrönten Entwurf im Rahmen des europaweiten Wettbewerbs »Wohnen für Alle« ein vergleichbar innovatives Konzept vor.

»Mehr urbane Qualitäten« ist die Themenstellung für die abschließende Vortrags- und Diskursrunde zu Neubauquartieren im (sub)urbanen Raum. Im Rahmen des Genossenschaftsprojektes Kalkbreite entwickeln Müller Sigrist Architekten in Zürich eine Nachbarschaft für die ehemalige Tramabstellanlage mit hohen ökologischen und sozialen Maßstäben und einer Nutzungsmischung. Der Quartiersentwicklung des Paloma Viertels in Hamburg von BeL und NL Architects wiederum geht das bürgerschaftliche Engagement »PlanBude«voran. Für die Bayerische Hausbau als Eigentümerin und Projektentwicklerin wird damit unplanmäßig Partizipation zum wichtigen Motor für das Projekt. Es liegt eine große Verantwortung bei allen Machern, Quartiere in Balance zu entwickeln – bei den Auftraggebern, den Kommunen, den Nutzern und den Planern. Dabei ist das gegenseitige Vertrauen ein wichtiges Moment, das vor allem im offenen Dialog wächst.

Für gute Stadtentwicklung bedarf es der Gespräche unter allen Beteiligten. Mit den Wohnwochen Düsseldorfgelingt ein wertvoller erster Schritt, dem weitere folgen sollen, so die Absicht des BDA Düsseldorf. Das macht neugierig. Man kann nur hoffen, dass der Dialog, gerade mit den Verantwortlichen in Kommune und Land, intensiviert wird.

Mit dem Appell Gemeinsam Mehr Erreichen stellt das Team der Wohnwochen Düsseldorf- Anne Kristin Bader, Bettina Bertossi, Georg Döring, Klaus Hackert, Beatrix Mohri-Diedrich, Ursula Ringleben, Heiko Vetter, Anna Wollenberg und Frank Zeising- das Motto für das weitere Vorgehen vor. Es geht nur gemeinsam.

Ayşin İpekçi

Der Beitrag ist in der BDA Zeitschrift ‚der architekt‘ 5.2019 erschienen.

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